Gefüllte Kalbsbrust mit Semmelknödel und Morchelsauce

Haupt- oder Alleingericht für 4 Personen von Peter Wagner

Gefüllte Kalbsbrust mit Semmelknödel und Morchelsauce

Zur Abwechslung mal ein bisschen Bratentheorie: Die Kalbsbrust wird auf der Fettseite nicht pariert, die Schwarte bleibt also dran und schützt die eine Seite des Fleisches, während auf der anderen, der Unterseite, die Rippenknochen für eine besonders gute Wärmeleitung in das Fleisch bei gleichzeitiger Abschottung gegen Austrocknung sorgen. Wir schmoren dieses Monstrum nach einer kurzen Hochtemperaturphase zum schnellen Anheizen zunächst mit dem Fett nach unten bei geschlossenem Deckel und vergleichsweise sanften 140 Grad. Hierbei löst sich während der 1,5 Stunden nach und nach die äußere Fettschicht auf und gibt langsam, aber effizient die Geschmacksstoffe aus dem Fleisch in den Saucenuntergrund. Nachdem wir diesen entfettet haben (gut für Gaumen & Gesundheit), wird die Brust mit den Knochen nach unten bei geöffnetem Deckel und normalen Braten-Bedingungen (180 Grad, Deckel runter, alle zehn Minuten mit Wein/Fond übergießen) fertig gegart und am Ende nochmal kurz in starker Hitze aufgekrosst.

 

Die Vorteile dieser Stufenzubereitung sind: Das Fleisch hat bei Gar-Ende etwa 98 Grad Kerntemperatur, ist also komplett durch, aber dennoch extrem saftig, weil durch den speziellen Zeit/Temperaturverlauf auch das intramuskuläre Fett und Bindegewebe zu spritzigem Gallert denaturiert wurde. Die pikante Füllung gibt dem Braten Bindung und zusätzlichen Geschmacksdruck, das Hochtemperatur-Rösten am Ende ersetzt die sonst übliche Anbraterei zu Gar-Beginn und sorgt für die jeden Braten final veredelnden Röstaromen als Verbrennungsprodukte der Maillard-Reaktion.

 

Das ist auch ein komplexes Beispiel dafür, wie sich in der Fleischzubereitung der gehobenen Küche je nach Anforderung unterschiedliche Garmethoden sequentiell ergänzen lassen: das Schmoren an sich ist ja bereits eine Mischung aus direkter (Infrarot-)Wärme, Konduktion (Kochen in der Schmorflüssigkeit) und Konvektion im Dampf unter dem Deckel. Dies verhindert in der 140-Grad-Phase das Austrocknen des Fleisches. In der 180-Grad-Zeit (meim Braten also) ist hierfür das stetige Übergießen mit Flüssigkeit zuständig, während beim kurzen Krossen am Ende ja das Trocknen und leichte Verbrennen der äußeren Fleisch-Schicht gezielt erreicht werden soll.

 

Vor dem Tranchieren ruht der Braten noch etwa 10 Minuten, damit sich die Säfte wieder verteilen.

 

© 2012 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 1 Stunde
Zubereitungszeit: 3 Stunden
Level: chef de partie
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

Füllung
5 EL Schalottenbrunoise
2 EL Karottenbrunoise
3 EL Petersilienwurzelbrunoise
3 EL Stangenselleriebrunoise
1 EL Butter
100 ml Kalbsfond
1 TL Meersalz, fein
1 Prise Pfeffer aus der Mühle
50 g Brötchen (vom Vortag)
1 EL Liebstöckel
1 EL Kapern, gehackt
2 TL Bio-Zitrone, Schalenabrieb
1 Stück Ei
50 ml Kochsahne
0,5 TL Macis, gemahlen
Gefüllte Kalbsbrust
3-4 kg Kalbsbrust mit Knochen
1 TL Pfeffer, schwarz aus der Mühle
500 g Mirepoix
250 ml Weißwein, trocken
1 Liter Kalbsfond
Semmelknödel
400 g Brötchen (vom Vortag)
4 EL Zwiebel, rot, fein gehackt
3 EL Speck, geräuchert (Würfel)
2 EL Butter
3 EL Blattpetersilie, fein gehackt
1 Stück Ei
1 Stück Eigelb
150 ml Milch, lauwarm
0.5 TL Muskatnuss, frisch gerieben
1 TL Meersalz, fein
0.5 TL Pfeffer, schwarz aus der Mühle
2-3 EL Semmelbrösel
Morchelsauce
15 g Morcheln
150 ml Wasser, handwarm
50 ml Portwein, weiss
2 EL Butter
50 ml Cognac
1 Prise Meersalz, fein
1 Prise Pfeffer, schwarz aus der Mühle
200 ml Kalbsfond
150 g Kochsahne

Wein-Tipp

Aldinger Riesling "Rebhuhn" trocken 2013

 

Der Aldinger Riesling "Rebhuhn" trocken leuchtet mit einem schön glänzenden Goldgelb im Glas. Ein frisch-fruchtiger Duft nach Aprikosen, Pfirsich, Kiwi, Mirabellen und Zitronen dominiert. Gefolgt werden diese Eindrücke von einem leicht salzig-mineralischen Aroma. Am Gaumen zeigt der Aldinger Riesling "Rebhuhn" harmonische, frisch-fruchtige Nuancen und ein trinkfreudiges Gesamtbild. Lecker Stoff für wenig Geld!

 

 

Musik-Tipp

Wie soll man nur beweisen, dass es wirklich totaler Zufall war, dass wir in der ewig langen Schmorzeit der Kalbsbrust drei aktuelle CDs junger, farbiger Musikerinnen durchhörten? Und das mit Wonne: Die Jazz-Stimme Elisabeth Kontomanou hat mit der ebenfalls in New York lebenden Kollegin Geri Allen für das Album „Secrets Of The Wind“ (Outhere) 13 hauchig  getupfte, nur von leisem Piano begleitete Zartheiten aufgenommen, während es das Mali-Duo Amadou & Mariam auf „Folila“ (Warner) teilweise richtig Afro-rockig krachen lässt und ein paar witzige NYC-Kollaborationen mit Musikern von TV On The Radio und den Scissor Sisters hinlegt. Drei Mal in Folge aber lief nur „Elle“ (edel), das zweite Album der aus Kamerun stammenden Sängerin Ntjam Rosie, die mit einer explosiven, auf Englisch, Französisch und in ihrem Heimatdialekt Bulu gesungenen, Mischung aus Seventies-Soul, Lounge, Afro und Jazz ihrem Vorbild Erykah Badu verdammt nahe kommt.

Zubereitung

Gefüllte Kalbsbrust

Fleisch vor Zubereitung der Füllung aus dem Kühlschrank nehmen und auf Zimmertemperatur bringen.

 

 

Für die Füllung Ei, Sahne und Macis

 

 

verquirlen und mit Löffel gut unter die kleinen geschnittenen Brotwürfel

 

 

rühren.

 

 

Zitronenabrieb, Kapern und Liebstöckel unterheben.  Das Gemüse

 

 

in der Butter sanft anschwitzen, würzen,

 

 

Kalbsfondzugeben und so lange köcheln, bis die Flüssigkeit verschwunden ist.

 

 

Auf einem Teller etwas abkühlen lassen. Kalbsbrät (oder das Innere der Bratwürste)

 

 

zusammen mit dem Gemüse unter die Brotmischung heben,

 

 

bis eine zähe Masse entstanden ist.

 

 

Backofen auf 250 Grad (keine Umluft) vorheizen. Kalbsbrust unter fließendem Wasser gut abwaschen und trocken reiben. Auf der Brustbeinseite mit einem sehr scharfen Ausbeinmesser eine Tasche quer durch das Fleisch schneiden, die an den drei Seiten bis jeweils maximal 4 cm an das Fleischende reicht.

 

 

Braten hochkant mit der Schnittseite nach oben stellen, Füllung tief eindrücken.

 

 

Am Schnittrand ca. 3 cm Platz lassen. Nun mit einer Stopfnadel und festem Küchengarn den Schnitt wie eine Wunde

 

 

sorgfältig und glatt zunähen. Eventuell ausgetretene Füllung sorgfältig abstreichen.

 

 

Braten ringsherum mit Meersalz und Pfeffer gut einmassieren.

 

 

Weißwein und Fond mixen, 500 ml davon in ein tiefes Bräterbackblech füllen, Kalbsbrust mit den Knochen nach unten einlegen und 20 Min. bei 250 Grad im Ofen lassen. Fleisch herausnehmen, Bratgemüse im Bräter  verteilen, Kalbsbrust mit den Knochen nach oben einlegen, mit Deckel verschließen (falls kein Deckel vorhanden: mit Alufolie verschließen). Temperatur auf 140 Grad verringern, 90 Minuten im Ofen schmoren. Deckel abnehmen, Fleisch heraus nehmen, Bräterinhalt durch Sieb schütten, Flüssigkeit auffangen. Bratgemüse

 

 

und Fleisch (Knochen unten) zurück in den Bräter/Backofen geben, Temperatur auf 180 Grad erhöhen. Flüssigkeit mit Fettabscheider entfetten, Fett evtl. für andere Zwecke auffangen. Entfettete Flüssigkeit mit dem Fond/Wein mischen, in Topf aufkochen und heiß halten. Mit 5-6 Schöpflöffel dieser Brühe den Braten alle 10 Min. übergießen.

 

 

Nach 45 Minuten Fleisch vorsichtig entnehmen, auf Fettseite legen und mit einer Zange die Knochen nach oben abziehen (gehen ganz leicht heraus).

 

 

Backofen auf 250 Grad Umluft erhitzen. Bräterinhalt in Rührschüssel umfüllen, für die Morchelsauce bereit halten.

 

 

Braten mit den ehemaligen Knochenseite nach unten auf Backrost setzen, Bräter darunter einschieben, Braten 10 Min. aufkrossen, danach Backofen abschalten, die Tür einen Spalt öffnen und Braten 10 Min. ruhen lassen.

 
 


Semmelknödel

Brot in kleine Würfel schneiden und zusammen mit Butter, Zwiebeln und Speck in beschichteter Pfanne goldgelb rösten,

 

 

in Rührschüssel etwas abkühlen lassen. Ei, Eigelb ,Milch, Muskat und die restlichen Gewürze vermixen und zusammen mit der Petersilie

 

 

unter die Brotwürfel heben. Gut durchrühren und 10 Min. ziehen lassen.

 

 

Mit angefeuchteten Händen einen Teig daraus kneten. Wenn er zu weich/flüssig erscheint, nach und nach mit den Semmelbröseln abbinden. Falls er zu hart/trocken ist, noch etwas Milch dazu geben. Aus dem Teig mit Esslöffel Nocken stechen

 

 

und diese mit angefeuchteten Händen zu ca. 24 sehr kleinen Knödeln formen.

 

 

20 Min. vor dem Servieren in leise siedendem Salzwasser (darf nicht kochen!) gar ziehen.

 






Morchelsauce

Getrocknete Morcheln über Nacht in der Wasser/Portweinmischung aufweichen. Morcheln mit Schaumlöffel herausnehmen, sehr gut unter fließendem Wasser abspülen, damit kein Sand darin bleibt. Einweichflüssigkeit durch Leintuch passieren, bereit halten. Morcheln längs halbieren (auch die frischen Morcheln vorher gut abspülen, hier 100 g benutzen),

 

 

in der Butter in Sauteuse 10 Min. anschwitzen.

 

 

Cognac erhitzen, anzünden und die Morcheln damit flambieren. Nach Erlöschen der Flammen mit dem Fond aufgießen, bei mittlerer Hitze auf die Hälfte einreduzieren. Den Bräterinhalt mit der Morchel-Einweich-Flüssigkeit pürieren, durch Haarsieb passieren und zusammen mit der Sahne zu den Morcheln geben.

 

 

Erst jetzt mit Salz und Pfeffer (und evtl. einem Spritzer Zitronensaft) abschmecken, warm halten.

Anrichten

Mit Schere das Küchengarn entfernen, Kalbsbrust mit einem elektrischen Küchenmesser parallel zur Naht-Seite in ca. 3-4 cm dicke Scheiben schneiden. Entweder je 1-2 Scheiben mit Knödeln und Sauce auf großen Tellern anrichten, oder die Kalbsbrust auf heißer Servierplatte zusammen mit den a part servierten Beilagen anbieten.

 

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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